Wochen 33-34, 21.11 – 7.12

Meine letzten beiden Wochen im Iran standen an. In der Prüfungswoche am Mittwoch, direkt im Anschluss nach der Prüfung, fuhr ich zum Flughafen, um nach Zahedan, in Sistan und Belutschestan, fliegen. Ich wollte zwischen neun und zehn Tage in Belutschestan herumreisen und am Ende noch eine Bekannte auf Qeschm besuchen (Route).
Am Mittwoch (25.11) flog ich dann mit nur 30 Minuten Verspätung vom City-Airport Teheran Mehrabad in die Provinzhauptstadt der „gefährlichen“ Grenzregion Sistan und Belutschestan. Das, was die meisten Europäer vom Iran denken, denken die meisten Iraner von Sistan-Belutschestan. Die Fluggesellschaft IranAir, die als unsicher gilt und von denen im Sommer ein Flugzeug über Teheran abstürzte, brachte mich jedoch sicher ans Ziel.
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„In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Die iranische Regierung hat die Provinz im November 2007 für ausländische Staatsangehörige zur ’no-go-area‘ erklärt. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschieht vor dem Hintergrund Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region.
Von Reisen in den Osten der Provinz Kerman und Sistan-Belutschestan sowie in die Grenzgebiete Irans mit Pakistan und Afghanistan wird dringend abgeraten. In diesen Gebieten besteht ein erhebliches Entführungs- und Anschlagsrisiko. Dies betrifft insbesondere das Gebiet im Dreieck zwischen den Städten Zabol, Bam und Chabahar.“ [Auswärtiges Amt; Iran: Reise- und Sicherheitshinweise; Terrorismus/Reisen über Land]

Wie in anderen Fällen auch, kann ich der Beschreibung des Auswärtigen Amtes nicht zustimmen – hauptsache Panikmache betreiben. Dazu mehr im weiteren Verlauf. .
Als ich jedenfalls in Zahedan am späten Nachmittag ankam, traf ich mich mit A. und wir gingen auf dem Basar, da ich mir die traditionelle Kleidung der Belutschen zulegen wollte. Der erste Händler bot die Hose mit Oberteil für 0,79Mio Rial (20€) an, der zweite wollte für einen maßgeschneiderten Zweiteiler 470’000 Rial (13€) haben. Den konnte ich mir am nächsten Tag abholen.
Das tat ich dann auch, zog das Gewand aber noch nicht an. Zugegebenermaßen lief ich nicht viel durch die Stadt, aber von Polizisten wurde ich nicht angehalten oder belästigt, obwohl diese mich durchaus sahen. Abends traf ich mich mit Freunden von L., bei dem ich übernachtete. Es war eine Außenanlage, die im Sommer sehr bevölkert ist. Da es aber ziemlich kalt war, verdrückten wir uns lieber mit ein paar Tees in ein beheiztes Zelt.
Am nächsten Morgen fuhr ich mit A. und einem Kumpel von ihr etwas südlich von Zahedan zu einer kleinen Wandertour. Als wir wieder zurück waren, aßen wir Frühstück und ich trampte dann nach Saravan, das 430km weiter südöstlich liegt.
In Sistan und Belutschestan gibt es in den Häusern keinen Gasanschluss, wie in Teheran oder anderen Städten im Iran. Es müssen extra Behälter angeschafft werden. Generell wird diese Provinz von der Regierung in Teheran links liegen gelassen. Das liegt zu einen daran, dass die Bevölkerung Sunniten sind und mehrheitlich in Stämmen organisiert. Daher haben die Offiziellen kaum Einfluss. Ex-Präsident Ahmadinedschad hat das Problem erkannt und nun wenden sich die Regierungsmitarbeiter direkt an die Stammesoberen.
Die Arbeitslosigkeit in Belutschestan ist riesig. Die meisten Leute verdienen ihr täglich Brot scheinbar mit dem Schmuggel von Diesel nach Pakistan. Sie kaufen sich Pick-ups, laden dann ihr Dieselkontingent in Kanister auf die Ladefläche und ab geht’s über die Grenze. Das zweite Stück von Zahedan nach Saravan bin ich in einem Auto mitgefahren, das sehr nach Diesel roch und in dem auf dem Beifahrersitz ein voller 50L Kanister stand. Ich war sehr eingequetscht und war froh, dass meine Beine nicht abgestorben sind.
Ein paar Polizeikontrollpunkte gab es natürlich. Wobei „ein paar“ untertrieben ist. An den Zufahrtsstraßen jeder großen Stadt gab es welche. Aber oft war es denen egal, dass ein Ausländer im Auto saß. Und wenn sie meinen Pass sehen wollte, zeigte ich immer eine Kopie – es gab nie Probleme.
In Saravan machte ich auch Couchsurfing bei coolen Leute, erkundete die Stadt aber alleine. Wobei ich sagen muss, es gab nicht viel zu sehen. Aber in der ganzen 5 Stunden am Vormittag, an denen ich herumlief, wurde ich nur von neugierigen Schulkindern belagert. Als es dunkel war, so gegen 18.30Uhr, lief ich für 30 Minuten auch noch einmal ein wenig umher, aber es war nicht mehr viel los.
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Zu den Bildern Teil 2
Am nächsten Tag, also am Sonntag (29.11), wollte ich dann die 460km nach Pasabandar, dem Ort, der am weitesten von Teheran (~1900 km) entfernt ist, trampen. Ich trug meine Belutschen-Klamotten, allerdings stellte sich das Trampen als ein bisschen schwierig heraus. Aber Schwierigkeiten bringen ja nur neue Erfahrungen hervor, so konnte ich das erste Mal mit einem Motorrad mittrampen – bis zum Polizei-Checkpoint. Dort lief aber alles ganz entspannt ab – ich musste nicht einmal meine Passkopie zeigen. Wir schwätzten ein bisschen, ich erzählte ihnen, ich wolle nicht Bus fahren, weil ich lieber mit den Fahrern mein Persisch verbessern wolle, und die Polizisten hielten dann für mich ein Auto an, dass mich die Hälfte der Strecke bis Sarbaz mitnahm.
Dort wollte ich dann den Bus nehmen, der kam aber ewig nicht, sodass ich die Straße entlang lief. Dann kam er natürlich, hielt auf mein Winken aber nicht an. Es wurde später und später und ich fand niemanden, der mich mitnahm. So freute ich mich schon auf die Nacht im Zelt und war auf der Suche nach einem geeigneten abgelegenen Plätzchen, als ein Belutsche mich überredete, zu ihm in sein Dorf zu kommen und dort zu pennen. Der junge Mann hieß Jaseme, war 27 und hatte einen Sohn.
Der Sternenhimmel war unglaublich hell, die Toilette auf dem Hof, es wurde gefühlt das ganze Dorf zum Abendessen -es wurde mit den Händen gespeist- eingeladen und die Frau bekam ich nie zu Gesicht. Es war eine neugierige und interessante Runde im konservativen Haushalt. Das schwierigste war immer, daran zu denken, die unreine linke Hand nicht zu essen zu nutzen.
Ein Gast war Mitarbeiter im medizinischen Zentrum im Nachbardorf. Auch wenn Sistan-Belutschestan wie schon erwähnt von der Zentralregierung in Teheran nicht viel Bedeutung zugemessen wird, die medizinische Versorgung wird hervorragend sichergestellt. So hat sich die Zahl der Malariererkrankungen auf der iranischen Seite von Belutschestan dramatisch reduziert und beträgt noch ca. 5 Fälle pro Jahr. Auf der pakistanischen Seite soll die Situation jedoch weiterhin prekär sein.
Am nächsten Morgen ging’s nach dem Frühstück direkt wieder zur Hauptstraße, der angehaltene Bus nahm mich jedoch aus unerfindlichen Gründen nicht mir und um die Sache hier ein bisschen abzukürzen, legte ich die nächsten 200km für faire 100’000 Rial (2,60EUR) zurück. Von dort trampte ich dann nach Pasabandar, nur 5 Fahrminuten von Pakistan weg. Ich kam während des Sonnenuntergangs an, lief Fotos schießend ein bisschen herum und hatte dann Glück von denselben LKW-Fahrern mit nach Tschabahar genommen. Dort brachten sie mich noch zum Busbahnhof, denn ich wollte mit dem Nachtbus nach Bandar Abbas fahren. Doch auch dieser Plan ließ sich nicht realisieren, da mir mitgeteilt wurde, der nächste Bus würde am folgenden Morgen fahren. Daraufhin sprach ich einen LKW-Fahrer an, der vor dem Bahnhof stand, ob er fahren würde. Er tat es nicht, allerdings durfte ich die Nacht auf der Ladefläche verbringen.
Am Dienstag (1.11) konnte ich mich dann endlich auf den Weg nach Bandar machen. Allerdings gezwungenermaßen wieder per Anhalter, weil plötzlich doch kein Bus mehr fuhr. Da zwischen Chabahar und Bandar Abbas keine wichtigen Städte liegen, konnte ich mir wenigstens gewiss sein, dass ein LKW mich die ganzen 700km mitnehmen würde. Und nach einigem Warten geschah das dann auch. Die beiden Fahrer waren auch Kurdestan und zum Glück fuhr der ältere von beiden 10 Stunden durch, sonst wäre ich an dem Abend vermutlich nicht auf Qeschm angekommen.
Auf Qeschm besuchte ich eine Annielie, die ich im Dehkhoda kennengelernt hatte. Sie hat mir ihrem iranischen Mann ein Restaurant auf der Insel (Shabhaye Talai – Golden Nights) und es war wirklich sehr cool, sie wieder zu sehen.
Als ich am Donnerstag (3.12) dann mit dem Zug von Bandar Abbas nach Teheran fuhr, trug ich meine Belutschen-Klamotten und erregte beim Abschluss-Fotoshooting mit Annelie Aufmerksamkeit, denn die roten Haare kombiniert mit den Klamotten, die auch von Afghanen getragen werden, sorgte überall für große Verwirrung. Am Bahnhof wurde ich dann laut, als ein Polizist bei der Körperkontrolle auch dort abtastete, wo es für Männer tabu ist.

Zurück in Teheran war ich von der hohen Polizeipräsenz mit Maschinengewehren überrascht. Während ich unterwegs war, hatte der „Islamische Staat“ Terroranschläge in Teheran angekündigt, also wurden zur Erhöhung der subjektiven Sicherheit der Bevölkerung Polizisten oder Soldaten an jeden Metrostationen postiert und ich natürlich immer zur Seite gebeten. Jetzt weiß ich wenigstens, wie sich die Muslime bzw. Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund in der Familie in unserer Gesellschaft nach Anschläge fühlen.
Abgesehen davon traf ich mich dann noch mit Freunden, erledigte ein paar Einkäufe im Basar während es schneite und zischte dann mit einem mulmigen Gefühl wieder zurück nach Berlin.
Vielen Dank!

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