Tage 61-67, 18-24.4

Diese Woche war nicht wirklich spannend. Ich habe bei einem Routineeinkauf auf dem Tajrishbasar entdeckt, dass man dort kleine Küken erstehen kann: Gänse, Hühner und anderes Geflügeltier; Kostenpunkt: noch nicht einmal 2 EUR. Und diese kleinen Dinger sind so niedlich – abgesehen vom ununterbrochenen Lärm, der von ihnen verursacht wird. Leider können sich meine Mitbewohner nicht mit dem Gedanken anfreunden, im ausreichend Platz bietenden Wohnzimmer, eine kleine Hühnerfarm aufzumachen. Sie haben Angst vor dem Dreck und kleinem Getier, was durch die Küken angelockt werden könnte. Dabei würde die Wohnung keine Goldene Hausnummer bekommen und im Moment wimmelt es eh von extrem dreisten und wendigen Mücken, dass ein paar mehr Insekten nicht auffallen würden.
Daher muss die Farm wohl etwas warten. Zhihui war zwar nicht abgeneigt, aber da sie nicht bei uns wohnt, muss sie die Nebenwirkungen der Haltung auch nicht ertragen. Sie schlug vor, stattdessen kleine Häschen zu kaufen, die wohl um die 5 Euro kosten. Sie seien viel pflegeleichter. Nur leider legen sie keine Eier und Hühnern hätte man einfach die ganzen Essensreste zum Fraß geben können. Mal sehen, ob sich Zhihui wirklich einen Hasen zulegt. Lustig wäre es auf jeden Fall.


Hintergrundbild: Südlicher Ausblick vom Dach


Da es sonst nichts zu berichten gibt, kann ich ja wieder ein paar Einblicke in das Alltagsleben eines Rothaarigen im Iran geben.

Erst einmal will ich Erfahrungen von der Busfahrt von Kaschan nach Teheran, das wird bei anderen Übertagfahrten bestimmt genauso sein, schildern.

  • Nachdem der Bus den Busbahnhof verlassen hat, fuhr der Bus nicht einfach, wie in Deutschland üblich, bis nach Teheran durch, nein. Da Iraner die Angewohnheit haben, spät zu sein, ist der Bus auf den ersten Kilometern nach dem Verlassen des Busbahnhofs langsam gefahren und der ein Busbegleiter hat so ziemlich jeden Fußgänger angesprochen, ob er denn nach Teheran möchte. Erstaunlich viele Leute wurden so noch aufgesammelt. Und auch noch auf der Autobahn hielt der Bus ein paar Male auf der Standspur, um ein paar Dorfbewohner einzusammeln. Wie viel die Leute zahlen müssen, weiß ich natürlich nicht, aber mehr die anderen Reisenden wird es wohl nicht sein.
    In Teheran angekommen, kann es sein, dass der Busbahnhof ziemlich weit von der nächsten Metrostation entfernt ist – aber kein Problem, dann wird eben an einer Metrostation an der Strecke ein Halt organisiert.
  • Während die Fahrkenntnisse in der Teheraner Innenstadt zwar nicht-existent anmuten, sind sie es auf der Autobahn scheinbar wirklich. Freitags fahren die Teheranis alle wieder zurück in die Hauptstadt und entsprechend voll sind die Autobahnen. Die Busse dürfen nur die rechte und mittlere Spur nutzen. Aber wie in der Innenstadt auch, gibt es keine logische und vorausschauende Fahrweise. Die rechte Spur scheint mir einem Fluch belegt zu sein; nur vereinzelt fahren dort Autos, sodass die mittlere und linke Spur hoffnungslos überfüllt sind. Das Problem ist, dass dort Leute fahren, die eigentlich auf die rechte Spur oder sogar den Standstreifen gehören.
    Ich saß im Bus ganz vorne und konnte kein Auge zumachen, weil mich dieses Chaos so in seinen Bann zog. Die Iraner sind ja nicht dumm, aber bei solchen Überlandfahrten am Wochenendeende nehmen sie ihren Verstand wohl vor der Fahrt heraus. Der Busfahrer war gefühlt ständig am Autos aus dem Weg Hupen und Lichthupe Geben. Mindestens zweimal hätte es fast gekracht.

Dann zu der Auffälligkeit meines Aussehens.

  • Am Anfang mag es ja vielleicht noch ganz lustig sein, von vielen Leuten – besonders weiblichen – angeschaut und vor allem angesprochen zu werden und nach Fotos (meist von Frauen und Mädels) gefragt zu werden. Doch mit der Zeit wird das nur noch lästig. Es vergeht kaum eine Metrofahrt, bei der ich in Ruhe Musik hören oder Vokabeln lernen kann, ohne dass ich von irgendeinem männlichen Passagier angesprochen werde. Die Iraner sind natürlich neugierig, was so in der Außenwelt vorgeht und wieso ein Ausländer ihr Land/ihre Stadt besucht. Dass man täglich darauf angesprochen wird, kommt ihnen natürlich nicht in den Sinn. Selbst das Vortäuschen von nicht vorhandenen Englischkenntnissen interessiert sich kein bisschen. Und wenn einer mit mir ein Gespräch anfängt, klinken sich meist andere mit ein, sodass bis zur Endstation keine Ruhe ist. Die Fragen sind auch immer dieselben: Wo kommt man her, was macht man hier, wieso, wie ist der Iran (natürlich toll) und dann Dinge über die Sanktionen, Politik und Verwandte im Ausland, manchmal Höflichkeitseinladungen. Einige Male werden auch spontan die Verwandten in Deutschland oder Österreich angerufen und ich darf dann mit denen reden.
  • Als kleiner Vorteil erweist sich zu sagen, man käme aus Österreich. Das kennen viele nicht und es wird nicht mit Fußball oder – lustigerweise – Hitler in Verbindung gebracht. Natürlich ist es trotzdem bekannter als zum Beispiel Montenegro. Aber ich möchte nicht in die Situation kommen, dass mich irgendwann jemand auf Serbisch zuquatscht; wobei das wahrscheinlich nur darauf ankommt, wann die absolute Schmerzgrenze erreicht ist. Während Francesco für einen Iraner gehalten wird, kann ich, glaube ich, nichts tun, außer vielleicht meine Haare färben, doch das wird nicht passieren.
  • Die Schmerzgrenze wurde in dieser Woche eigentlich schon angekratzt. Ich wollte mich in den Lalehpark zum Lernen und Entspannen begeben. Doch daraus wurde natürlich nichts, denn nach zwei Minuten saßen zwei Soldaten neben mir, die, wie bei vielen iranischen Männern üblich, keinerlei Englischkenntnisse besaßen. Also laberten sich mich zu, jedenfalls der eine, dümmere von ihnen. Soweit ich mitbekommen habe, noch nicht einmal etwas Interessantes sondern meist vulgäres Zeugs. Für seine nicht vorhandene Selbstreflexion sprach folgender zusammengefasster Konversationsausschnitt:
    Er fragte mich, ob ich oft von Leute genervt oder belästigt würde. Lustig, dass die Frage nach bestimmt 15 Minuten kam, und ich offensichtlich meine Hausaufgaben und meinen PC offen rumliegen hatte und auch schon erwähnt hatte, mich eigentlich meinen Hausaufgaben widmen zu wollen. Jedenfalls bejahte ich diese Frage und er sagte mir, ich solle mir die Leute merken, er würde sich dann um deren Mütter „kümmern“….Dass er dann folglich bei seiner eigenen anfangen könne, behielt ich selbstverständlich für mich.
  • Dann zu der Telefonnummer. Die meisten Leute aus den Metro- oder Busgesprächen möchten selbstverständlich mit ihrem neuen besten Freund in Kontakt bleiben. Deshalb bietet es sich immer an, Block und Stift zur Hand zu haben, um die Daten aufzuschreiben. Auf jeden Fall versuche ich, bisher auch sehr erfolgreich, meine Nummer nicht herauszugeben. Mittlerweile habe ich auch eine zweite SIM-Karte, die dann notfalls für solche Fälle hinhalten kann.

Das alles mag vielleicht arrogant klingen, aber ich lebe mittlerweile hier, bin natürlich ein Auswärtiger, aber dennoch schließlich kein Tourist. Wenn ich mit jedem der 14 Millionen Einwohner auch nur 30 Sekunden reden würde, müsste ich mehr 13 Jahre hier verbringen. Dann könnte ich sicher perfekt Farsi, aber im Prinzip wäre mein Leben wohl gegessen und meine Telefonbuch platzen. Sicherlich erschließt sich das den Iranern nicht und ich kann sie auch (noch) nicht komplett ignorieren, aber als sehr höflich würde ich mein Auftreten in solchen Situationen nicht beschreiben. Das geht übrigens allen Studenten, die nach Ausländern aussehen, so.

2 Gedanken zu „Woche 9 – Teil 1/1

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