Tag 16, 5.2, Donnerstag
Roman und ich sind um 5 Uhr aufgestanden, um wieder wandern zu gehen. Diesmal hatten wir uns aber eine richtige Tour rausgesucht. Es sollte auf den Tochal gehen (3962m hoch). Wir hätten auch bis nach ganz oben mit der Gondel fahren können, aber wo wäre da die Herausforderung gewesen?
Um 6 Uhr brachen wir vom Wohnheim Velenjak (~1700m) auf und starteten die eigentliche Tour von der Basistation (1904m) um 6.30 Uhr. So bekamen wir den Sonnenaufgang über Teheran mit. Außerdem wehte über der Stadt ein heftiger Wind, sodass an diesem Tag endlich mal ein freier Blick möglich war, aber sicherlich eine glücklich Ausnahme darstellte.
Selbst zu der frühen Uhrzeit waren erstaunlich viele Menschen unterwegs (meistens im besten Alter, d.h. 40 Plus, keine Grenze nach oben) und uns kamen sogar einige entgegen.
Drei Stunden später kamen wir an der 3. Gondelstation an, die von den meisten Wanderern als Ziel genutzt wird. Sie liegt auf 2500 Metern und wir machten eine Essenspause. Die Wandergemeinschaft Irans ist wohl ein eingeschworener Kreis und so wurden wir herzlich begrüßt und zu Ei, Tee und Suppe eingeladen.
Auf unsere Antwort, dass unser Mittagessen aus Brot, Äpfeln und Bananen bestehen würde, kamen nur ungläubige und mitleidige Blicke.
Als ich unseren zwei Wohltätern als kleines Dankeschön für die Stärkung Gummibärchen mit dem Hinweis, dass auch Moslems diese bedenkenlos essen können, schenkte, wurde mir schelmisch grinsend erklärt, sie seiend doch keine Moslems!
Bevor wir uns dann dem Gipfelsturm zuwendeten, zogen wir jeder noch eine Schicht Klamotten an. Ich war alsbald mit zwei Unterhosen und einer Outdoorhose sowie einem T-Shirt, einem Hemd, einer Fleecejacke und einer winddichte Jacke mit Kapuze und Mundschutz, einem Schal und zwei Paar Handschuhen ausgerüstet. Es konnte also losgehen. Auf dem Gipfel waren -13°C angekündigt, auf der 3. Station waren bereits -4°C.
Wir kämpften uns weiter aufwärts, alle überholend, Schneewehen und starken Winden trotzend. Manchmal mussten aber die Handschuhe wieder ausgezogen und die Jacken aufgemacht werden, weil die Sonne und die Bewegung genug Wärme spendete. Immer weiter hinauf ging es, auf schmalen Graten und an steilen Abhängen entlang – ok ganz so gefährlich war es vielleicht doch nicht, aber gelogen ist das auch nicht.
Die Höhenluft machte mir zum Glück nicht wirklich zu schaffen und nach 6,5 Stunden (vom Losgehen am Wohnheim gerechnet) erreichten wir die Gipfelstation (~3700m) um 12.30 Uhr. Dort ist auch das Tochal-Skigebiet, allerdings sind die Abhänge ziemlich flach. Das letzte Stück zum Gipfel (1,7km) war dann noch einmal ziemlich hart. Es ging wundersamer Weise bergauf und da habe ich die Höhe dann schon gespürt. Der Anstieg war ziemlich anstrengend und ich konnte nur kleine Schritte machen, auch Roman fiel es nicht leicht.
Doch dann waren wir oben. Auf fast viertausend Metern! Nach 7 Stunden. Es war unglaublich, auch, dass der Blick so klar war. Wir konnten bis zum Damavand (5604m), dem höchsten Berg im Nahen Osten, blicken. Auch er wird irgendwann fällig. Nach ein paar Bildern gingen wir in das kleine Metalliglu, uns aufwärmen und etwas zu essen. Alle Leute mit deren Klamotten ließen uns wie blutige Amateure aussehen, aber Deutsche und Österreicher sind halt harte im Nehmen…
Jedenfalls wurden wir wieder auf Tee eingeladen und es wurden viele Fotos geschossen. Nachdem wir unsere durchnässten Socken gegen frische gewechselt hatten, machten wir uns an den Abstieg. Durch den vielen Schnee und den durch die Wärme entstandenen Matsch war dieser nicht wirklich schneller, allerdings machten wir keine Pause. Roman nahm für das letzte Stück die Gondel; ich konnte nicht anders, als wirklich alles bis zum Wohnheim zu laufen. Nach ein bisschen weniger als 13 Stunden, ca. 32 km Wegstrecke und mindestens 5200m Höhendifferenz kam ich schlussendlich um 19 Uhr dort an.
Es war die längste Wanderung, die ich bisher an einem Tag gemacht hatte und eine klasse Aktion, die wir leider nicht mit einem Bier feiern konnten. Unsere Lungen haben wir nach 2 Wochen dreckigster Luft ordentlich durchlüften können auch die Stille war eine willkommene Abwechslung. Und natürlich hat auch die Sonne geschienen und natürlich habe ich mich nicht eingecremt und natürlich habe ich jetzt leichten Sonnenbrand.
Bevor wir dann total erschöpft ins Bett gefallen sind, haben wir uns – mit einigen Tagen Verspätung – noch den Kölner Tatort angeschaut.