Woche 15 – Irans Grüne Seite

30.5-5.6, Samstag-Freitag

In der vorherigen Woche (23.5-29.5) ist nicht wirklich etwas Erwähnenswertes passiert.

Der Mittwoch (3.6) war Feiertag, sodass das Wochenende einen Tag länger war. Das musste natürlich ausgenutzt werden und ich beschloss nach dem Vorschlag einer Bekannten in die Region um das Bergdorf Soobatan, im Nordwesten Irans (Provinz Gilan), an der Grenze zu Aserbaidschan, zu fahren.
Ich wollte von der Küste, nördlich von Talesh das Gebirge in westliche Richtung bis zum Neor See durchqueren und einen Stopp in Soobatan machen und außerhalb des Dorfes zelten. Die ganze Strecke beträgt (inkl. Höhenanpassung) ca. 38 Kilometer.
Neor-Soobatan-Coast
Allerdings wollte ich nicht alleine fahren und fragte deshalb ein bisschen herum. Und tatsächlich fand sich sogar jemand. Eine Freundin von Friscos Bekannten, mit denen ich mich auch schon einmal getroffen hatte, wollte mitkommen. Sie ist zwar noch nie gewandert und hat auch noch nicht gezeltet, aber das Höhenprofil sah nicht schwierig aus und 38 Kilometer auf zwei Tage verteilt, war meiner Meinung auch nicht schwer zu bewältigen. Da das ganze Unterfangen (Wandern ohne Tour und zelten) für iranische Verhältnisse extrem verrückt anmutete, war ich mir bis zum Abreisezeitpunkt nicht sicher, ob ich am Ende nicht doch reisen würde.
Als ich am Dienstag Nachmittag (2.6) die Bustickets für den Abend kaufte, stellte sicher heraus, dass wir die Tour in die entgegengesetzte Richtung machen mussten, da es nur Busse nach Ardabil, aber nicht nach Asatara gab.
Um 22Uhr sollte der Bus fahren und um 21.15 traf ich mich dann tatsächlich mit A. Der Bus fuhr eine Stunde zu spät ab und schlafen konnte ich nicht gut.
Dem Mann, der mein Gepäck in den Bus packte, sagte ich, wir wollten Budalalu aussteigen und er nahm es nickend zur Kenntnis. Ich war mir nicht sicher, ob er es wirklich verstanden hatte, zumal der Mann, der die Tickets kontrollierte, den Ort nicht kannte.
Am Mittwoch (3.6) um 7 Uhr hielt der Bus jedoch tatsächlich. Dann stellte sich nur noch die Frage, wie wir zum See und Startpunkt gelangen sollten. A. sprach eine Reisegruppe an und zum Glück waren in deren Bus noch genau zwei Plätze frei.
Um 9Uhr liefen wir dann los, doch schon zwei Stunden später hatte A. keine Lust mehr und wollte Auto fahren. Das war in sofern möglich, als dass das Dorf schon über Wege verfügt, über die Lebensmittel und faule Touristen das Dorf erreichen können. Ich hatte keine Lust zu fahren und so gab ich A. ein paar meiner Sachen, damit mein Gepäck nicht ganz so schwer war. Ich schätzte, dass ich zwischen 14 und 15Uhr in Soobatan ankommen würde.
Ich kam kurz nach 14 Uhr an, traf A. aber erst gegen 16Uhr. Dann diskutierten wir, ob wir die Gastfreundschaft von einem Bewohner annehmen sollten oder den Weg für den nächsten Tag verringern und wie gedacht im Zelt schlafen.
Ich konnte A. von letzterem überzeugen, doch die Entscheidung fiel zu spät, denn ein Gewitter, das zwar nur kurz dauert, zog auf und bevor es losging, trafen wir auf eine große Familie, die uns dann nicht mehr weiterlaufen ließ und auch A. war von deren Vorschlag angetan, wir sollte bei ihnen die Nacht verbringen; also ging es wieder zurück nach Soobatan.
Als das Gewitter vorüber war fuhren mit dem Jeep ein bisschen umher und später gab es Abendbrot, bei dem ich so wenig aß, dass die Familie es als Beleidigung ansah. Von daher konnte ich die Hilfe nicht zu 100% zu schätzen wissen. A. und ich legten uns dann auf der Terrasse schlafen, weil wir früh aufstehen wollten. Erstaunlicherweise war die Nacht ziemlich war und überhaupt nicht kalt, wie ich gefürchtet hatte.
Um fünf standen wir dann auf und packten die Sachen zusammen. Der Weg, den wir nun zurück nahmen, konnte nicht mit dem Auto befahren werden. Dafür trafen wir regelmäßig auf Hirten oder Nomaden, die ihre Tiere den Weg entlang trieben.
Die Entfernung betrug nur 15km, aber es wurde eine Herausforderung. Gleich am Anfang nahm ich A. den Rucksack ab, doch bald zeigte sich die Unerfahrenheit, denn wir kamen nur sehr langsam voran. Wir brauchten fast 10 Stunden, bis wir an der Straße ankamen, von wo wir nach Hause fahren konnten. So lange am Stück war ich noch nie mit so viel Gepäck unterwegs gewesen und meine rechte Schulter begann auch irgendwann, Probleme zu bereiten.
Die Natur war natürlich wunderschön und das Gebiet wird auch vollkommen zu recht die Iranischen Alpen genannt. Die Landschaft sah wirklich wie in Mittel- und Nordeuropa aus oder dem Balkan aus.
Als wir dann an der Straße ankamen, zogen wir den Vorteil daraus, die Reisebusse einfach am Straßenrand anhalten zu können. Das war kurz nach 15 Uhr und der Fahrer sagte uns, es seien 5,5h bis 6h bis Teheran. Leider kamen wir aber erst um 23Uhr an…

Woche 3 – Tochal – Teil 1/4

Tag 16, 5.2, Donnerstag

Roman und ich sind um 5 Uhr aufgestanden, um wieder wandern zu gehen. Diesmal hatten wir uns aber eine richtige Tour rausgesucht. Es sollte auf den Tochal gehen (3962m hoch). Wir hätten auch bis nach ganz oben mit der Gondel fahren können, aber wo wäre da die Herausforderung gewesen?
Um 6 Uhr brachen wir vom Wohnheim Velenjak (~1700m) auf und starteten die eigentliche Tour von der Basistation (1904m) um 6.30 Uhr. So bekamen wir den Sonnenaufgang über Teheran mit. Außerdem wehte über der Stadt ein heftiger Wind, sodass an diesem Tag endlich mal ein freier Blick möglich war, aber sicherlich eine glücklich Ausnahme darstellte.
Selbst zu der frühen Uhrzeit waren erstaunlich viele Menschen unterwegs (meistens im besten Alter, d.h. 40 Plus, keine Grenze nach oben) und uns kamen sogar einige entgegen.
Drei Stunden später kamen wir an der 3. Gondelstation an, die von den meisten Wanderern als Ziel genutzt wird. Sie liegt auf 2500 Metern und wir machten eine Essenspause. Die Wandergemeinschaft Irans ist wohl ein eingeschworener Kreis und so wurden wir herzlich begrüßt und zu Ei, Tee und Suppe eingeladen.
Auf unsere Antwort, dass unser Mittagessen aus Brot, Äpfeln und Bananen bestehen würde, kamen nur ungläubige und mitleidige Blicke.
Als ich unseren zwei Wohltätern als kleines Dankeschön für die Stärkung Gummibärchen mit dem Hinweis, dass auch Moslems diese bedenkenlos essen können, schenkte, wurde mir schelmisch grinsend erklärt, sie seiend doch keine Moslems!
Bevor wir uns dann dem Gipfelsturm zuwendeten, zogen wir jeder noch eine Schicht Klamotten an. Ich war alsbald mit zwei Unterhosen und einer Outdoorhose sowie einem T-Shirt, einem Hemd, einer Fleecejacke und einer winddichte Jacke mit Kapuze und Mundschutz, einem Schal und zwei Paar Handschuhen ausgerüstet. Es konnte also losgehen. Auf dem Gipfel waren -13°C angekündigt, auf der 3. Station waren bereits -4°C.
Wir kämpften uns weiter aufwärts, alle überholend, Schneewehen und starken Winden trotzend. Manchmal mussten aber die Handschuhe wieder ausgezogen und die Jacken aufgemacht werden, weil die Sonne und die Bewegung genug Wärme spendete. Immer weiter hinauf ging es, auf schmalen Graten und an steilen Abhängen entlang – ok ganz so gefährlich war es vielleicht doch nicht, aber gelogen ist das auch nicht.
Die Höhenluft machte mir zum Glück nicht wirklich zu schaffen und nach 6,5 Stunden (vom Losgehen am Wohnheim gerechnet) erreichten wir die Gipfelstation (~3700m) um 12.30 Uhr. Dort ist auch das Tochal-Skigebiet, allerdings sind die Abhänge ziemlich flach. Das letzte Stück zum Gipfel (1,7km) war dann noch einmal ziemlich hart. Es ging wundersamer Weise bergauf und da habe ich die Höhe dann schon gespürt. Der Anstieg war ziemlich anstrengend und ich konnte nur kleine Schritte machen, auch Roman fiel es nicht leicht.
Doch dann waren wir oben. Auf fast viertausend Metern! Nach 7 Stunden. Es war unglaublich, auch, dass der Blick so klar war. Wir konnten bis zum Damavand (5604m), dem höchsten Berg im Nahen Osten, blicken. Auch er wird irgendwann fällig. Nach ein paar Bildern gingen wir in das kleine Metalliglu, uns aufwärmen und etwas zu essen. Alle Leute mit deren Klamotten ließen uns wie blutige Amateure aussehen, aber Deutsche und Österreicher sind halt harte im Nehmen…
Jedenfalls wurden wir wieder auf Tee eingeladen und es wurden viele Fotos geschossen. Nachdem wir unsere durchnässten Socken gegen frische gewechselt hatten, machten wir uns an den Abstieg. Durch den vielen Schnee und den durch die Wärme entstandenen Matsch war dieser nicht wirklich schneller, allerdings machten wir keine Pause. Roman nahm für das letzte Stück die Gondel; ich konnte nicht anders, als wirklich alles bis zum Wohnheim zu laufen. Nach ein bisschen weniger als 13 Stunden, ca. 32 km Wegstrecke und mindestens 5200m Höhendifferenz kam ich schlussendlich um 19 Uhr dort an.
Es war die längste Wanderung, die ich bisher an einem Tag gemacht hatte und eine klasse Aktion, die wir leider nicht mit einem Bier feiern konnten. Unsere Lungen haben wir nach 2 Wochen dreckigster Luft ordentlich durchlüften können auch die Stille war eine willkommene Abwechslung. Und natürlich hat auch die Sonne geschienen und natürlich habe ich mich nicht eingecremt und natürlich habe ich jetzt leichten Sonnenbrand.
Bevor wir dann total erschöpft ins Bett gefallen sind, haben wir uns – mit einigen Tagen Verspätung – noch den Kölner Tatort angeschaut.