Woche 20 – Und wieder grüßt der Ayatollah

„Woche“ 20, 24.8 – 4.9

Teheran hat mich nach meiner Kaukasusreise (Schöner Kaukasus) und 2-wöchigem Deutschlandaufenthalt wieder und ich habe beschlossen, größtenteils nur noch kleinere Alltagsgeschichten oder Anekdoten zu notieren; alles andere ist doch nur langweilig.
Am Abend des 24. Augusts (Montag) sollte es also wieder zurück nach Teheran gehen. Allerdings verspätete sich der Flug und wurde nach Dresden umgeleitet. Ich bekam einen Gutschein über großzügige sieben Euro, mit dem ich zwei Halbliterflaschen Cola kaufen konnte und noch zwei Schokoladenstücke obendrauf bekam.
Um 21 Uhr wurden wir alle in Busse verfrachtet und zum Dresdner Flughafen gefahren. Das Problem war nämlich, dass in Schönefeld ab 23 Uhr ein Nachtflugverbot gilt. Das heißt, der verspätete Flieger hätte zwar noch landen können, aber nicht mehr starten dürfen. In Dresden gilt ab Mitternacht Nachtflugverbot – wir hoben um 00:03Uhr ab. Einen Bordservice gab es auf dem 4,5h-Flug jedoch nicht, d.h. wir hoben mit 4 Stunden Verspätung ab und das einzige, was die Fluggesellschaft (Germania) zum leiblichen Wohl reichte, war ein mickriges Brötchen und Saft. Ich hatte immerhin auch ein paar Brote und Obst mit, aber als ich mit 3,5h Verspätung in Teheran ankam, war ich ziemlich hungrig und machte mich zu Freunden auf, bei denen ich meine ganzen Sachen gelagert hatte. Da meine Freunde kein Englisch sprechen, war ich froh, als ich bemerkte, dass ich doch nicht so viel Farsi vergessen hatte und nicht vollständig herumstammelte.
Am Freitag (28.8) ging ich den Gottesdienst, der um 18Uhr abends stattfand und saß anschließend noch in netter Runde mit dem Pfarrers-Ehepaar und zwei weiteren Gottesdienstbesuchern zusammen.
Bis zum nächsten Wochenende war nicht viel los. Ich bezog wieder die alte Wohnung, die ich scheinbar das letzte Mal im Juli sauber gemacht hatte und in der mittlerweile ein netter Türke und Pakistaner wohnen.
Ich traf nach drei Monaten wieder Zhihui und verabredete mich für Dienstagabend (2.9) mit Jooyang (aus Südkorean) und Mayuko (aus Japan). Davor schaute ich noch ganz schick mit Sakko bei der Deutsch-Iranischen Handelskammer vorbei, um mir eine Liste mit Unternehmen geben zu lassen, bei denen ich mich demnächst bewerben werde.
Der Abend mit Jooyang und Mayuko wurde nett, wieder sehr schmackhaft und lang. Um 3.15 Uhr brachen Mayuko und ich auf, eine Stunde später kam ich im Wohnheim an. Ich bin wirklich dankbar, dass im Gegensatz zu anderen Metropolen, wie Istanbul, in Teheran regelmäßig (ca. alle 15-20 Minuten) Nachtbusse auf den Hauptverkehrsadern unterwegs sind.
Ich war froh, dass die Gebäudetür des Wohnheimes auf war, denn ich habe nur einen Schlüssel für die Wohnung, was sich später noch als Hindernis herausstellen sollte. Knappe 3,5h Schlaf konnte ich mir gönnen, bevor ich wieder zur Schule musste. Danach holte ich noch ein bisschen Schlaf nach, doch um 18.30Uhr sollte ich am Tajrish sein, um mit Jooyang, Mayuko und ihrem Bekannten Yasuki auf eine Feier ihrer Bekannten zu fahren.
Die Feier war lustig, die Wohnung mit Schwarzlicht ausgestattet und die Stimmung ausgelassen.
Um 20Uhr am Donnerstag (3.9) hatten mich andere iranische Freunde zu einem traditionellen klassischen Konzert iranischer Musik eingeladen. Auch dieses Ergeignis war sehr interessant. Die beiden Sänger Hafez Nazeri und sein Vater Shahram wurden von klassischen und iranischen Saiteninstrumenten sowie Trommeln begleitet.
Um 1 Uhr brachten mich meine Freunde zum Wohnheim zurück und als sie abgefahren waren, stand ich dann vor der Tür…die zu war…und es war auch keiner mehr im Gebäude wach, obwohl ja eigentlich Samstag war. Also was tun? Nun ja, nach zwanzig Minuten ging ich dann in den Laleh Park. Ich hatte schon durch vorherige nächtliche Ausflüge gesehen, dass sich die Menschen nachts auf Parkbänke oder auch einfach den Boden legen. Daher suchte ich mir eine vor neugierigen Blicken geschützte und dunkle Ecke. Ich wurde auch nicht entdeckt, allerdings ganz ohne Decke war leider nicht an Schlafen zu denken, dafür war es doch zu frisch und ich nicht müde genug.
Um 6 Uhr am Freitag stand ich auf, klopfte Erde von meinem Konzertoutfit und ging zum Wohnheim. Aber die Tür war, was für ein Zufall, zu. Also lief ich eine große einstündige Runde in der Gegend, aber die Beziehung zwischen Tür und Rahmen war vorher wie nachher gleich eng. Da ich keine Lust hatte, vor der Tür zu warten, ging ich wieder zurück in den Park. Und siehe da, ich traf auf zu Musik Frühsport machende Iraner. Angefeuert wurde das ganze bunte Spektakel von einem Übertragungswagen des Radiosenders Radio Javan (Jugendradio), obwohl die Herrschaften, die an den Übungen teilnahmen, alle älter als 50 schienen. Daneben gab es jedoch noch eine Menge junger Leute, die zumeist Federball spielten. Auf der Wiese wurde schon gefrühstückt – insgesamt war ich sehr positiv überrascht und froh, dass die Tür im Wohnheim des Nachts zu gewesen war.
Nachdem ich dem Treiben fünf Minuten zugesehen hatte, kam ein Reporter auf mich zu und es wurde spontan ein Interview mit mir, dem Österreicher, geführt. Ich bekam überraschender Weise sogar ein kleines Präsent: ein Weltempfänger.
Kurz vor neun kehrte ich zurück, da an diesem Freitag englischsprachiger Gottesdienst war und ein Holländer dort hinging. So war es auch und ich konnte endlich in die Wohnung.

Live-Interview mit Radio Javan (Original-Link Radio Javan – Interview)

Woche 11

Tag 75, 2.5, Samstag

Es war Nationalfeiertag, darum hatte ich keine Schule. Gemacht habe ich aber nicht viel. Zusammen mit Zhihui und ihrer Mitbewohnerin Feyza bin ich einen Kaffee trinken gegangen.
Außerdem herrscht in Teheran zu dieser Jahreszeit eine extreme Mückenplage. Obwohl die Luft sehr trocken ist und kaum stehende Gewässer vorhanden, schaffen es die Ausgeburten des Teufels doch sich rasend schnell zu vermehren. Im Gegensatz zu den Iranern sind diese auch flink und wendig und scheinen schon Sekunden vorher zu wissen, dass man sie erschlagen möchte; gierig nach Blut sind sie außerdem.
Jedenfalls kann ich mich noch nicht einmal vollständig in meinen Schlafsack verkriechen, weil die Viecher trotzdem irgendwelche Lücken finden. So musste ich hinnehmen, dass eines Morgens mein kompletter Unterarm mit kleinen Hügelchen versehen war. Glücklicherweise jucken die Mückenstiche nicht.

Tage 76-79, 3.5-5.5, Sonntag-Dienstag

Wieder eine normale Schulwoche, in der die Lehrerin mir wieder mehrmals mitteilte, dass mein Niveau für Deutsche ungewöhnlich (schlecht) ist. Was sie dabei aber außer Acht lässt, dass 90% der Deutschen von ihrem Studiengang aus in den Iran fahren und schon in Deutschland Sprachkurse belegt haben. Ich hingegen, wie Tobias auch, sind blutige Anfänger und dementsprechend schlecht oder auf dem Niveau der anderen.
Am Montag sind wir in den iranische Ableger der französischen Supermarktkette Carrefour (Hyperstar) gegangen. Yang hatte davon gehört und wir brauchten eh eine Menge Dinge. Der Markt ähnelte wirklich den „westlichen“ beziehungsweise „normalen“ Riesensupermärkten, wie Kaufland oder real oder Metro. Die Bierabteilung ist natürlich lächerlich und irgendwann wurde ich auch darauf hingewiesen, dass das Schießen von Fotos verboten sei.

Tage 80-82, 6.5-8.5, Mittwoch-Freitag

Das Wochenende nahte und eigentlich wollte I. nach Teheran kommen und die Buchmesse besuchen. Daraus wurde aber nichts. Ich musste aus Teheran raus und mit Hilfe von der Satellitenansicht von Google Maps wählte ich ein Tal im Nordosten aus. Nach dem Unterricht brach ich dann nach Kalugan auf, was ich mit Metro, Bus, ein paar Kilometern zu Fuß und 25km per Anhalter erreichte. Im Dorf angekommen kletterte ich bis zur Dämmerung herum, um eine einigermaßen gute Stelle für mein Zelt zu finden. Das ich aber mitten im Gebirge war, konnte ich es logischerweise nur Behelfsweise aufstellen und hatte Glück, dass es die Nacht nicht regnete. Abgesehen von ein paar anderen Unannehmlichkeiten, genoss ich es, in sicherer Entfernung vom 14 Millionen Moloch zu sein.

Am Donnerstagmorgen habe ich dann alles wieder zusammengepackt und bin zurück. Etwas niedergeschlagen bin ich am Abend mit Frisco, Yang und einem anderen Dehkhoda-Studenten in ein Kaffee. Später kamen noch eine Iranerin und Zhihui dazu.

Am Freitag um 10 Uhr bin ich dann zum Gottesdienst der evangelischen Gemeinde in Teheran (). Es war das erste Mal und es hat mir sehr gefallen. Es waren noch ungefähr 12 andere Leute da und nach dem Gottesdienst blieb ich noch bis kurz nach zwölf zum Tee und zum Quatschen.
Als ich dann wieder zurück in Enghelab war, pilgerten die Iran gerade zum Freitagsgebet oder zur Freitagsansprache an der Universität Teheran. Die Hauptstraße war für Autos gesperrt und vereinzelt waren wieder die „Tod Amerika/Israel“-Schilder zu sehen.